Jüterbog wieder Kreisstadt - historischer Rückblick auf das Jahr 1952
verfaßt Januar 2002
Vor genau 50 Jahren wurde als Höhepunkt der Jüterboger Heimatspiele "Klaus Totengräber" von Dr. Walter Fink aufgeführt. Die Aufführung des Stückes "Brennesseln" fiel wegen Regen buchstäblich ins Wasser. "Dies ist mit Rücksicht auf die auswärtigen Gäste, die zum Teil von weither gekommen waren, sehr zu bedauern," schrieb die Märkische Volksstimme (MV) am 27/28. September 1952.
Das Kreiskulturorchester Jüterbog gab sein erstes "Volkskonzert". Unter der Stabführung von Alexander Nemeti wurden eine Serenade von Josef Haydn, die Ouvertüre zu Glinkas Oper "Ruslan und Ludmila", die Spanischen Tänze von Baumann und eine Suite "Südlich der Alpen" von Fischer vorgetragen. "Was sind wir doch reich, in unserem Kreis so selbstlose, wahrer Kunst ergebene Menschen zu besitzen, die alle Mühen auf sich nehmen, um uns Werktätigen wertvolle, der Entspannung und dem Kräftesammeln dienende Stunden zu bereiten," schwärmte die Lokalzeitung. (MV 16.10.52)
Zwei Mädchen aus der FDJ-Betriebsgruppe der Jüterboger Konsumgenossenschaft - ihre Namen sind leider nicht überliefert - sind im gleichen Jahr in das Staatliche Volkskunstensemble der DDR aufgenommen worden, eine im Chor, die andere in der Tanzgruppe. "Voller Begeisterung erzählten sie von ihrer Reise nach Wien... Dort war ein Teil der Gruppe auf dem traditionellen Volksfest der 'Volkstimme', des Organs der Kommunistischen Partei Österreichs, im Prater aufgetreten." Die Revolutionsfeiern in Moskau waren der nächste anvisierte Termin. (MV 26.9.52)
"Die Justizangestellten des Kreisgerichts bekunden in einer Entschließung, daß die Volkskammerdelegation mit ihrer Reise nach Bonn eine wichtige politische Mission erfüllt hat und die ersten Fäden zu einem festen Band der Verständigung mit den westdeutschen Volksvertretern knüpfen konnte. Alle Mitarbeiter verpflichten sich," berichtet die Zeitung, "das Schreiben der Volkskammer an den Bundestag, ihren Bekannten und Verwandten im Bundesgebiet zu übermitteln, um die Leser der kapitalistischen Presse über die wahren Vorgänge zu informieren." (MV 27./28.9.52) - Nicht viel später konnten zu enge Verwandte und Bekannte "im kapitalistischen Ausland" für Justizangestellte ein Entlassungsgrund sein.
Die zunehmende Überwachung der Bevölkerung fand ihren Ausdruck zum Beispiel darin, daß am 6. November unter der Regie der Polizei "Hausbücher" eingeführt worden sind, in denen, wie heute nur noch in Hotel und Pensionen üblich, Übernachtungsgäste und andere zeitweilige Bewohner zu registrieren waren. Zur Verstärkung der Volkspolizei (VP) ist am 25. September eine Verordnung über VP-Helfer erlassen worden. Ähnlich wie auch im Westteil Berlins schuf sich die DDR damit eine freiwillige Polizeireserve von besonders zuverlässigen Bürgern, die die Polizei bei ihren Kontrollaufgaben zu unterstützen hatte. Auf Empfehlung der bisherigen Besatzungsmacht UdSSR, die auch die politischen Grundlinien der 1949 gegründeten DDR weiterhin bestimmte, wird außerdem eine Kasernierten Volkspolizei (KVP) ins Leben gerufen. Damit beginnt nur sieben Jahre nach dem verheerenden Ende des 2. Weltkrieges eine neue Aufrüstung, denn aus der KVP wird vier Jahre später die Nationale Volksarmee (NVA).
Die wichtigste lokale Nachricht vor 50 Jahren war der Umstand, daß Jüterbog wieder Kreisstadt wurde. Mit Gründung des preußischen Landkreises Jüterbog-Luckenwalde war Jüterbog von 1816 Kreisstadt und blieb es bis zum Ende des 2. Weltkrieges. Unter der Regie der Besatzungsmacht kam der Verwaltungssitz bei gleichbleibenden Kreisgrenzen nach Luckenwalde. Die alte Militär- und Beamtenstadt Jüterbog war - wie es damals hieß - nicht würdig, die Kreisverwaltung zu behalten. Das traditionell "rote" Luckenwalde schien dafür besser geeignet.
Als im Juni die Volkskammer die Auflösung der bisherigen fünf Länder beschloß, die aus dem alten Deutschen Reich mehrheitlich die Fläche der neuen DDR ausmachten, war auch das Ende des Kreises Jüterbog-Luckenwalde gekommen. 14 Bezirke und 217 Kreise bildeten die neue Verwaltungsstruktur der DDR. Der letzte Landrat des alten Kreises, Salvat, bekam den Titel "Vorsitzender des Rates des Kreises". Davon sollte es von jetzt an einen in Luckenwalde und einen in Jüterbog geben. Am 20. August konstituierte sich der neue Kreistag Jüterbog. Die Verwaltung etablierte sich in dem altehrwürdigen Landratsamt am Dammtor, wo bereits zu sächsischen Zeiten eine Kreisverwaltung zu Hause war. Doch dazu kann zum passenden Datum an dieser Stelle ausführlicher berichtet werden, wenn wir des 50. Jahrestages der Gründung des Kreises Jüterbog gedenken.